Sehr geehrte Interessierte, Freunde und Unterstützer !
Nachdem die Entscheidung zur letzten Haiti Reise getroffen war, überschlugen sich ein wenig die Vorbereitungen. Wir entschieden, während den Osterferien mal wieder als Familie einen Besuch in Liline's Heimat zu machen. Unsere zwei Jüngsten, Jérémie und Jean-Pierre, mussten aber in Deutschland zurück bleiben.
Vorbereitung zum Abschluss des Projekts „Studio Jérémie"
Die meiste Vorbereitung benötigte der Einkauf um das Projekt „Studio Jérémie" zu vervollständigen. Wir bestellten unter anderem einen Solarladeregler und einen Wechselrichter mit Ladefunktion aus der Schweiz, CD-Decks, ein Radio-Mischpult etc. in den USA und Kopfhörer und Mikrophone in der Nähe. Der Wechselrichter ist bei vielen Installationen in Haiti in der Zwischenzeit das Herzstück der Energie-versorgung. Dieser erzeugt aus der Gleichspannung von Bleibatterien Wechselspannung zum Betrieb von allem, was „normal" über die Steckdose funktioniert. Die Batterien werden mit Hilfe von Solar, Wind, einem Dieselgenerator oder der sporadischen Stromversorgung aufgeladen. Die Zeit der Vorbereitung war aber doch zu knapp ....
Arbeitseinsatz bei Radio Lumière in Jérémie
Der Transport von Material nach Haiti, aber auch innerhalb Haiti's ist selten einfach und kostet immer viel Zeit und Geld. Nicht alles kam rechtzeitig an, damit wir eine vollständige Installation hätten vornehmen können. In der Zwischenzeit ist jedoch alles durch die Techniker von Radio Lumière in Betrieb genommen worden und ein Abschluss des Projektes konnte erreicht werden. Die Übertragung von aktuellen Fotos funktionierte leider nicht mehr rechtzeitig, so wird später noch ein Nachtrag kommen.
Nachdem wir am Wochenende Besuche in der Hauptstadt Port-au-Prince gemacht hatten und per Zufall das 15-jährige Bestehen des Jugend-Gospelchors mitfeiern konnten, in dem wir uns kennen-gelernt hatten, fuhren wir nach Westen in die Stadt „Les Cayes". Kurz darauf ging es weiter, von der Südküste 100km zur Nordküste in die Stadt Jérémie. Es ist in der Zwischenzeit nur noch eine 4 Stunden Fahrt, denn 40km sind nun geteert. Für die weiteren 60km braucht man aber noch über 3 Stunden. Das Durchschütteln des Auto's erscheint einem mit der Zeit sehr eintönig und unendlich. Außer einem platten Reifen, vielen Rara Gruppen und jede Menge Regen, den wir gar nicht so sehr erwartet hatten, verlief die Hinfahrt gut.
Wir wurden fröhlich von dem Pastor und Mitarbeitern von Radio Lumière empfangen und begannen auch gleich mit der Arbeit. Das Studio war noch nicht in einem wirklich fertigen Zustand. Doch nach genauem Hinschauen fehlte hauptsächlich noch ein Großputz und ein neuer Anstrich.
Eigentlich hatten wir unsere Pläne geändert und wollten nur den Nachmittag und Abend in Jérémie arbeiten, da wir so oder so nicht alle Geräte mitbringen konnten. So bereiteten wir das Vorhandene vor, reparierten die Stromverkabelung, bohrten Löcher in die Wand zur späteren Installation des Solarladereglers und des Wechselrichters. Der alte Studiotisch fehlte, doch uns wurde gesagt, dass er noch unten steht, jedoch repariert werden muss. Da er aus Sperrholzplatten gebaut ist sollte der Tisch noch lackiert werden, um eine abwaschbare glatte Oberfläche zu haben.
Weiterlesen, Teil 2
Am nächsten Morgen hatten die Mitarbeiter ihre An-kündigung eingehalten, sie wollten unbedingt, dass wir noch mehr installieren und es vorwärtsgeht. So hatten sie einen Schreiner geholt, der den Tisch reparierte und dann auch gleich lackierte. Ich verkabelte die vor-handenen Solarpanels neu, denn die Sonne hatte die Isolierung des ursprünglich fälschlich verwendeten Lautsprecherkabels spröde und löchrig gemacht, dazu sollte eine höhere Spannung zur Effizienzsteigerung erreicht werden. Eigentlich wollten wir frühestmöglich abreisen, doch dann kam Réné, ein Radiosprecher, zu uns und meinte: „Ich habe zwei Nachrichten, eine gute und eine schlechte, welche wollt ihr zuerst hören?" Wir wollten zuerst die gute Nachricht. Er meinte, „nun, die gute Nachricht ist, dass ihr heute nicht mehr zurück fahren könnt, denn es regnet zu viel in den Bergen, somit ist der Gebirgsfluss „Glass" zu hoch und nicht passierbar, so können wir hier gemeinsam weiterarbeiten." Begeistert waren wir nicht gerade, denn wir empfanden die Nachricht nicht wirklich positiv. Dann fuhr er fort: „die schlechte Nachricht ist, ein Freund von mir und auch Mitglied unserer Gemeinde ist vorher dort im Fluss ums Leben gekommen. Der Motor seines Lastwagens versagte bei der versuchten Durchquerung des Flusses. Da er Angst hatte mitsamt dem Lastwagen in die Schlucht gespült zu werden, wollte er sich zu Fuß retten." So saßen wir fest und arbeiteten einfach weiter. Am Ende fehlte noch manches, doch einen eingeschränkten Eindruck konnte man erhalten, auch ohne richtiges Mischpult, sondern nur einer Schaumstoffmatte als Attrappe.
Rückfahrt mit Hindernissen
Wir beschlossen, trotz allem an dem Gründonnerstag zurückzufahren, möglichst spät, aber vor Dunkelheit, um dem Fluss und dem Regen Zeit zur Beruhigung zu geben. Wir fragten nach dem Namen des Pastors des Dorfes „Duchity", welches nach 3 Stunden Fahrt vor der Flussdurch-querung liegt. Die Fahrt war schon etwas ungeheuerlich, der Dauerregen und die unbefestigte Strasse, nahezu Menschenleer. Die Flüsse bei Jérémie haben noch einspurige Brücken und einen stark angeschwollenen Bergbach konnten wir auch noch durchfahren. Die Autos die uns entgegenkamen wiederholten stets, dass keine Passage möglich war, sie umgedreht hatten um die Stunden bei Tageslicht zu nutzen, zurück nach Jérémie zu einem Hotel oder Verwandten zu gehen. Auch die Polizei stoppte uns einmal um uns zu informieren und zu warnen. Es war schön und beruhigend, dass wir zwar niemanden kannten, aber doch wussten, dass wireine Notbleibe finden würden durch das grosse Gemeindenetzwerk. Wir kamen relativ kurz vor Dunkelheit am Fluss „Glass" an, wo aber keine Fahrzeuge durchfuhren.
Wir fuhren zurück nach „Duchity" wo wir Pastor Cornet finden konnten und sofort herzlich willkommen waren (siehe Foto, Ehepaar Cornet mit Liline).
Es war kalt in den Bergen und wir hatten keine passende Kleidung dabei. Doch ein heißer Haferbrei mit Tee bei Kerzenlicht war ein gutes und passendes Abendessen. In der Nacht wachte ich immer wieder auf und lauschte, ob es regnet. Kurz nach der Dämmerung fuhren wir los, der Regen begann wieder ganz leicht und dieses Mal konnten wir manche Lastwagen und auch Fußgänger bei der Überquerung beobachten, bevor wir uns dann selbst durchzufahren trauten.
So waren wir zum Frühstück am Karfreitag zurück in „Les Cayes", wo in der Zwischenzeit auch das Mischpult und CD-Decks eingetroffen waren. Diese nahm ich noch in Betrieb, hauptsächlich um alle Beschriftungen anzubringen und die nachträgliche Installation vorzubereiten.
Dank aus Haiti sowie unsere aktuellen Schwerpunkte
Wenn man mal in der Gegend von Jérémie in Haiti angekommen ist, am „Ende der Welt", wird einem klar, weshalb ein Radiosender gerade dort so viel bedeutet und weshalb die Menschen sich über die Hilfe so freuen. Es ist ein einfaches, oft eintöniges Leben mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Da ist ein Radio eine wichtige Informationsquelle und eine Erfrischung, ein unsichtbarer Tunnel zum Rest der Welt. Dass Sie mit uns dieses Projekt ermöglicht und durchgeführt haben ermutigt das Radio Lumière Team in Jérémie sehr, denn auf ganz natürliche Weise haben bei dem landesweiten Netzwerk oft andere Stationen und deren Probleme Priorität.
Wir möchten Ihren Blick nun aber auf die beiden Projekte lenken, auf welche wir unsere Kräfte in den kommenden Monaten konzentrieren möchten. Wir vertrauen fest darauf, dass, so Gott will, ausreichend Mittel zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen werden. Für den Grundstückskauf von Marie-Annette (Infobrief 2/2012, Projekt AH05) haben Sie uns die notwendigen 4.100 € zur Verfügung gestellt. Die Überweisung nach Haiti ist aktuell in Vorbereitung. Auch die Familie von Dura möchten wir, wenn möglich in diesem Jahr, unterstützen.
In Bezug auf Radio Lumière fokussieren wir nun auf den Sendemasten auf dem Bergrücken „Morne Brieux" (Projekt RL03), welcher an der Südküste westlich von „Les Cayes" benötigt wird. Dazu haben wir auch entschieden, einen Container mit Material nach Haiti zu senden. Doch detailliertere Informationen werden in weiteren Briefen folgen.
Mit dem Bibelvers aus Matthäus 6,34 möchte ich Sie von ganzem Herzen grüßen. Zu oft drehen sich auch unsere Gedanken um Sorgen und alles was wohl kommen mag. Mögen wir steht's unser Vertrauen und unseren Blick auf den lebendigen Gott lenken.
„Darum sorgt nicht für morgen,
denn der morgige Tag wird für
das Seine sorgen. Es ist genug,
dass jeder Tag seine eigene Plage hat."
Ihr
„Chaotisch“ anmutende Normalität Haiti‘s
Rara Gruppen tanzen auf der Strasse ums Auto herum
Rara wird in Haiti von Vodou Anhängern in den Wochen vor Ostern veranstaltet. Es sind Tänze und Lieder mit einfachen selbstgebastelten Instrumenten sowie Verkleidung in Anlehnung an den Karneval. Es soll vor allem dem Gedenken an die afrikanischen Vorfahren dienen, aber auch den Indianerstämmen der ursprünglichen haitianischen Bevölkerung wird gedacht. In oft sehr grossen Menschenansammlungen bewegen sich die Rara Gruppen von Ort zu Ort auf der Strasse, friedlich aber meist doch alkoholisiert
Nachtrag: Auf der Fahrt nach Port-au-Prince begeneten wir diesem einzigartigen Gefährt, das den Begriff "Improvisation" sehr gut verkörpert und einer der wichtigsten Bestandteile des Lebens in Haiti ist.
Auch mussten wir ohne Regen nochmals durch viel Wasser fahren. Die Abwasserrohre waren verstopft im Stadtteil Martissant. Das schwierigste war dabei, die unsichtbaren Löcher und fehlenden Kanaldeckel ausfindig zu machen, selbst ein Bagger der eigentlich helfen sollte kam in Schwierigkeiten.